Archiv der Kategorie: Artikel

Sense and Senility (eine Geschichte aus dem wundersamen Land der Theorien)

Im Angesicht einiger aktueller Gespräche und Erfahrungen, die man in letzter Zeit machen konnte geht es heute um Sprache. Ich werde versuchen nicht allzu sehr auf die Selbstverständlichkeit einzugehen, dass alle Kommuniaktion- und folglich auch jede Form ihrer Institutionalisierung als Sprache -höchst subjektiv ist. Dazu braucht man sich nur die Theorien eines Watzlawick, oder all die Kommunikationsmodelle durchzulesen, die durch die Elfenbeingänge fleuchen. All diese Gedanken haben ihren unbestreitbaren Wert, gerade was den Umgang und das Verständnis mit (Massen-)Medien geht.

ABER

Wie üblich geht sämtliche Theorie im Praxistest den Bach runter. Egal wie ausgefeilt, vielschichtig und allumfassend (in einem Wort: sophisticated) ein Gedankenkonstrukt auch sein mag, es wird eine Herausforderung, wenn das Konstrukt Otto Normal-Mensch erklährt werden soll. Zum Einen wird man den Kollegen/die Kollegin wohl nur schwer zum Zuhören bewegen können weil es den meisten langweilig/überflüssig/egal vorkommen wird zum Anderen sind die Modelle aber oftmals so komplex, dass man einen mehrstündigen Vortrag benötigt um auch nur Grundzüge der Angelegenheit in ihrem Gesamtumfang zu erfassen. Nur Akademiker und Studenten haben soviel Zeit. Die Frage die sich mir hier stellt ist, a) ob man den Gesamtumfang tatsächlich immer erfassen muss, b) was tun wenn nicht, c) welchen Sinn die Theoriebildung hat und d) welchen sie vielleicht haben sollte.

In kleiner Disclaimer vorneweg: Die folgenden Ausführungen sind durchaus überspitzt dargestellt und können so natürlich den angesprochenen Phänomenen und Institutionen in ihrer Gesamtheit nicht gerecht werden. (Hinweis: Blogname: …proklamation)

Die Theorien heutiger Wissenschaften haben einen Detailreichtum und Ausmaß erreicht, das manchem B.A. -Studenten über drei Jahre nichts als Einführungsveranstaltungen in Bereich X Unterbereich I-IX vorgesetzt werden, nur damit er ein grundlegendes Verständnis davon bekommt, was in seinem Fach womit warum gemeint wird. Dieses Wissen wird abgesehen von Klausuren und weiterführender akademischer Karriere so in der Form vermutlich kaum wieder gebraucht werden und maximal als ergänzendes Hintergrund-/Allgemeinwissen weiter gebraucht werden (abgesehen von Naturwissenschaften, logischerweise). Manchmal möchte man da dem Vorurteil der Überflüssigkeit mancher Sozial-/Geisteswissenschaft anheimfallen, ganz einfach aus dem Grunde, dass all diese Dinge nur über Umwege ihre Spuren in Politik und (Wirtschafts-)Realität hinterlassen und so von manchem als eitel Gedankenspiel abgetan werden kann. Muss aber nicht, zumindest nicht mit Recht.

Um zu Punkt a) zurückzukommen, muss eine Theorie immer in ihrer Gesamtheit von allen erfassbar sein? Sollte, ist aber unrealistisch. Natürlich müsste jeder Wissenschafter das Ziel haben seine Theorie von einer möglich breiten Masse verstanden zu wissen, aber die Metapher des Elfenbeinturms zeigt uns schon im Ansatz das Problem. Die Theorien werden von Mitgliedern der intellektuellen Elite aufgestellt, die sich vermutlich primär mir Teilen ihrer eigenen Kaste umgeben werden, ergo den Kontakt zu anderen Schichten eher unterdurchschnittlich pflegen werden. So weit, so natürlich. Wer von Wissenschaftlern umgeben ist, wird für Wissenschaftler schreiben. Gerade in den Naturwissenschaften gibt/gab es aber auch Leute wie Carl Sagan, oder Richard Dawkins (dessen Kreuzzug gegen die Gläubigen ja inzwischen manchmal fragwürdig rüberkommt), die es geschafft haben, ihre Disziplin auch für NormalmenschInnen begreiflich zu machen. Warum gibt es sowas nicht für uns Rest-Wissenschaftler? Und warum ist der Halbsatz „und schrieb zahlreiche populär-wisseschaftliche Bücher“ so negativ konnotiert? So unbegreiflich mir das Zweite ist, so logisch das Erste: weil es bei uns um nichts Konkretes geht, weil alles was wir zur Verfügung haben unser Anliegen zu erklären die Sprache (und ‚längere‘ Erklärvideos) ist. Und dazu muss man sich der Implikationen dessen bewusst sein. Mag sein, dass es tatsächlich Leute gibt, die es schaffen geisteswissenschaftliches in gemeinverständliche Worte zu fassen, aber ich zumindest kenne keinen. Wenn man will, könnte man das politische Kabarett als einen Versuch dessen wahrnehmen, aber auch das Kabarett ist vielleicht doch zu sehr am politischen Tagesgeschäft und dem elitären Publikum orientiert.  (Hier sagt our Darling Volker Pispers übrigens was nettes dazu)

Was tun wenn ein Verständnis in breitem Umfang und breiter Masse so nicht möglich ist? (b)) Es wenigstens versuchen, damit immerhin so viele Menschen wie möglich was davon haben. Ich habe es schlicht satt, dass akademische Bücher schlicht unlesbar sind, ganz zu schweigen davon, dass man die etwas interessanten Teile besagter Bücher durchschnittlich in einer Stundenzahl gelesen ist, die Kosten und Seitenanzahl absurd erscheinen lässt. Bei einigen Geisteswissenschaften mag das ja teilweise noch Sinn machen (da sind dann aber auch die interessanten Teile überdurchschnittlich lang), nur erklär mal einer einer 54jährigen Sekretärin den Sinn/den Nutzen der Soziologie. Kunstsoziologie! Man erkennt die Grenzen. Es sollte nicht nur versucht werden die Theorien zu erklären, sondern auch fudamental möglich sein die Essenz der Theorie auf ein verständliches Maß herunterzubrechen. Und wenn man dann eine Schnittmenge an Worten mit anderen Theorien von über 90% hat, dann… hat man eine gewisse Art von Notstand.

Welchen Sinn die Theoriebildung hat? (d)) Erkenntnisgewinn, Fortschritt, eine Verbesserung des Gemeinwohls von Allen. The greatest pleasure for the largest amount of people, wie Bentham einst (über die Wirtschaft!) so treffen schrieb. Am Gelde hängt, zum Gelde drängt… Das mag nicht immer gut, geschweige denn wünschenswert sein, wenn man es so will, hat selbst Ablenkung in Form von Kulturinsitutionen wie Theater, Film etc seinen wirtschaftlichen Wert für die breite Masse. Für mich klingt es sehr unangenehm und falsch das so auszudrücken, alles nur auf seinen Nutzen hin zu interpretieren (was zweifelsohne möglich ist) und damit den Selbstwert von Dingen und Taten schlicht zu ignorieren. Aber eine gewisse Relevanz für die breite (dumme) Masse sollte in jeder Theorie dann doch innewohnen, egal wie interessant sie einem persönlich erscheinen mag. Es mag brilliant sein, Kunst vielleicht sogar. Aber brotlose, zumindest im Idealfalle.

Punkt d) wurde im Laufe der vorherigen Punkte bereits beantwortet. Was bleibt ist die Sprache. Sprache ist das Medium, das uns alle immer verbindet, sei es Bildsprache, Zeichensprache, whatever. Ich will Zielgruppenfixierung hier nicht verdammen, aber das Ideale ist immer, wenn man von allen verstanden wird, sei es im Theater, Autorenfilm, Nachrichtenspot, geschriebenen oder gesprochenen Wort. Insbesondere beim geschriebenen Wort ist es deswegen vielleicht notwendig, gerade im akademischen Bereich, wieder eine Sprache zu benutzen, die von allen verstanden werden kann, die von überladenen Symbolen so frei wie möglich ist. Jede Wissenschaft hat tausende für seine Bedürfnisse definierte Begriffe, die es Fachfremden (ergo 99,99x% der Bevölkerung (eingeschlossen: Akademiker anderer Wissenschaften)) de facto unmöglich macht Publikationen zu verstehen. Kultur ist eben nicht, was die Kulturwissenschaftler als solche definiert haben, Politik ist nicht in politics, polity und policy unterteilt und das schlicht und allein weil der Volksmund davon nichts weis. Begriffe sind, wie sie im Querschnitt der Gesellschaft verstanden werden, nicht mehr, nicht weniger. Dieses Mittel-Maß zu erreichen und zu erhöhen kann und muss neben der cutting-edge-Forschung der Naturwissenschaften das Hauptziel jeglicher Bildungseinrichtung sein. Andere Institutionen haben das begriffen, die Universitäten waren wohl etwas zu sehr damit beschäftigt sich selbst zu beweihräuchern. Dumm, das.

Deutschland deine Probleme

Aus gegebenem Anlass hier mal ein paar Zeilen zu unserem aktuellen Lieblingsdebakel deutscher Nation

Man mag von Horst Köhlers Rücktritt vom höchsten Staatsamt halten was man will, aber zumindest hat es dazu beigetragen, dass sich eventuelle Unsicherheitsgefühle der Bevölkerung nicht eben verringert haben. Sehr präsidial, das. Man hat ja sonst keine Probleme möchte man meinen. Es gibt wohl keine Möglichkeit in näherer Zukunft ein etwas klahreres Bild über die tatsächlichen Hintergründe des Abgangs zu erfahren, aber man darf sich schon auf die politische Autobiographie (Titelvorschläge: Meine Jahre als Horst/ Ein Mann sagt jaein) freuen, die in 10+x Jahren mit Sicherheit erscheinen wird. Kleine Randnotiz:  Was ist eigentlich aus den Vorwürfen geworden, dass das Amt und die Behörde des Bundespräsidenten mal entkalkt werden müsste, dass da teilweise die gleichen Mitarbeiter etc. wie zu Großvaters Zeiten arbeiten und aktuelle Präsidenten unterstützen, oder eben nicht? Anfänglich konnte davon ja noch durchaus was in dem einen, oder anderen Artikel was gelesen werden, aber inzwischen sind solche Lappalien wohl unwichtig geworden. Es ist natürlich müßig darüber zu spekulieren, warum Köhler seinen Posten abgegeben hat, vermutlich ist es am Ende ein Bisschen von all dem, was an Vermutungen herumschwebt. Ich traue es der am besten funktionierenden Demokratie (liebe Österreicher: unsere betrunkenen polit-VIPs sind KirchenvertreterInnen, die über Ampeln fahren, nicht rechts-außen Politiker mit Identitätsproblemen und bleivergiftung im rechten Fuß, aber das nur am Rande) in Europa durchaus zu, dass ein Amt die das Bundespräsidialamt seit 60 Jahren mal ein personelles wie organisatorisches Update braucht, genauso kann es sein, dass der Rücktritt schon etwas länger geplant und von gekränktem Stolz, oder realistischer Einsicht, geleitet war. Jeder mag sein persönliches Fazit zur Amtszeit Köhlers haben, was festzuhalten bleibt ist, dass er sich -auch juristisch- eingemischt hat, wenn Grenzen überschritten wurden und dem Volk seiner Politikverdrossenheit bei mancher Gelegenheit beigestanden hat, egal wie man dies nun bewertet. Er war, wenn man das so sagen kann, das was sein Name versprach, ein normaler Deutscher, der durch Fortuna und Fähigkeiten an eine herrausragende Position gelangt ist, die vielleicht nicht seine ideale Welt war, aber in der er sich doch auch zu behaupten wusste und wo er sicher mehr Gutes bewirkt als Schaden angerichtet hat. Nur das mit dem Abgang, darüber müssen wir dann noch mal reden (Horst)…

Das mediale Echo auf den Rücktritt hat natürlich wiedereinmal jegliche Form von sinnhafter Berichterstattung ignoriert, aber ok, man hat ja sonst nichts, worüber man sonst so schreiben. Ganz unterhaltsam waren dann aber doch die Listen, die innerhalb weniger Stunden zirkulierten, und die Leute, die auf ihnen zu finden waren. Leicht schockierend war dann allerdings, dass sich unsere Regierung/Kanzlerin dazu entschloss gerade Ursula von der Leyen ernsthaft vorzuschlagen und allen Ernstes der Ruf nach einem aktiven Politiker (im Sinne vom BVB/schwarz-gelb) in der höchsten Position des Staates laut wurde. Und dann wurde Christian Wulff nominiert. Sicher, das ist genau die Position für einen Politrentner ohne derzeitiges Amt wie ihn. Ach ja, und wie war das doch gleich mit dem „verbliebenen Kronprinzen“ der CDU? Right… ok, was auch immer wen (Merkel,CDU/ihn) warum (Loswerden der Konkurrenz/Fluch aus Hannover) dazu gebracht hat, das ernsthaft machen zu wollen, die entsprechende Person/Gruppe hat bestimmt einen großen Masterplan, nur eben nicht für das Land, sondern sich selbst. Wie unglaublich falsch das ist brauch man nicht zu erklären, oder? Nehmt Klaus Töpfer, wenn es denn schon ein Konservativer sein muss, aber bitte nicht jemanden, der immer noch der nette Schwiegersohn mit großgeschriebenem Understatement ist.

Oder eben Joachim Gauck. Wer mal eine seiner Reden und seinen Werdegang verfolgt hat, der kann nicht ernsthaft bezweifeln, dass der Mann im Moment maximal in Töpfer ernsthafte Konkurrenz hat, was Fähigkeit und Eignung für das Amt betrifft. Von der Symbolkraft eines ostdeutschen Bundespräsidenten ganz zu schweigen. Reden kann er auch und als Bonus macht es auch noch Sinn, was er sagt!

Die Medien sind im Moment so übervoll, dass das Thema nun wirklich durchgekaut ist, deswegen hier kein weiterer Kommentar, die Fakten sind bekannt, es bleibt mir nur schleierhaft, wie die Regierung, oder auch nur irgendwer, in einer Lage wie der derzeitigen Personal- statt Kompetenzfragen stellt, egal in welchem Bereich. Seien es die Einsparungen, die unser most favorite Freiherr vorschlägt, das gesamteuropäische Gebahren in der Finanz-/Umwelt-/Kulturkrise, oder eben die Wahl eines fähigen und geeigneten Bundespräsidenten. Und gerade deshalb ist es so unglaublich wichtig, dass endlich mal die kurzfristge Eigennutzenmaximierung aufgegeben wird, nicht nur um langfristig besser darzustehen (das ist offensichtlich), sondern um dem Volk das Gefühl zu geben, dass wir die Krise ernstnehmen. Dass wir sie ernstnehmen. So einfach ist das. Und wenn wir das hinbekommen, dann klappts auch mit der Politikverdrossenheit, dann klappt es damit, dass sich die Leute wieder interessieren. Für die Demokratie.

Zum Abschluss noch eine Rede von Joachim Gauck, zur Einstimmung.

Indirect tweeting

The idea of using microblogs in political campaigns in Germany was inspired by Barack Obama’s virtual campaigning during the 2008 presidential elections in the USA. Thus, the first german elections where Twitter was used as a political tool were the electoral campaigns in Hessia in early 2009. During these elections, all mayor parties used Twitter for political outreach and social-democratic candidate Thorsten Schäfer-Gümbel (@tsghessen) made himself a brand by establishing the credibility of twittering himself. His authenticity was later damaged, when one of his campaigning advisers updated his own account and @tsghessen with the exact same tweet within a very short time.

This poses the question if politicians can delegate the use of mircoblogs, or tweet via ghostwriter and still be ‚authentic‘. Depending on the rank of twittering politicians, it might be near to impossible for some of them to regularly tweet themselves and thus, to maintain public interest over time. Given these presuppositions, delegating the use of Twitter or tweeting indirectly can be the obvious choice for public actors to make. One possible option to increase transparency would be, though, to indicate the origins of tweets by adding hints to updates by the staff. In doing so, the accounts in question would still be able to communicate with the public in the name of its owner, but in the same time, the public would be informed about the origin of tweets.

Eine wichtige Unterscheidung (die Gedanken sind frei)

Ok, das ist mal eine hochtrabende wie nichtssagende Überschrift… worum es mir geht ist eine Sache, die in vielen Bereichen gilt und im Kern auf den so schönen wie viel zu oft gehörten Satz ‚Die Gedanken sind frei.‘ zu reduzieren ist. Anders formuliert: Taten sind strafbar, Gedanken nicht.

Somit ist auch die Pädophilie an sich nicht strafbar und weder kann, noch darf sie es je sein. Dass gleichsam das Ausüben dieser Neigung, sowie das Bereitstellen entsprechenden Materials für andere unter drakonischste Strafe gestellt gehört ist derart offensichtlich, dass ich diesen Satz effektiv nur als Deppen-Disclaimer hier hingeschrieben habe um nicht als Kipo-Befürworter verstanden zu werden. Gedanke und Tat sind eben nicht das Gleiche, anders als das gelegentlich mal so dargestellt wird. Jeder der mal an der Realität des sich-nicht-trauens gescheitert ist, egal wie groß die Begierde, wird mir da zustimmen. Dashier mag ein offensichtlicher Aspekt sein, aber ich denke, dass er in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich zuwenig beachtet wird.

Was daraus nämlich entsteht ist zum einen eine verquere Sicht der Dinge indem das Leid derjenigen, die ein solches (oder ähnlich geartetes) Bedürfnis haben, ignoriert wird und zum anderen ein unnötiges Gleichsetzen von sexueller Neigung/Orientierung mit der Ausübung derselben, was in einigen Fällen (etwa Pädophilie=Kindesmissbrauch) meines Erachtens nach fatal ist. Was nämlich getan werden müsste, in den Fällen wo die Ausübung unter Strafe steht, ist die Hilfe derjenigen, die ein solches Bedürfnis haben, es aber nicht ausleben dürfen. Ich habe nicht das psychologische Wissen und den Anspruch hier wissenschaftliche Erkenntnisse zu proklamieren, aber ich denke nicht, dass letztendlich sexuelle Neigungen ernsthaft therapiert oder gar geheilt werden können. Das gilt für Pädophilie ebenso wie für Heterosexualität, Exibitionismus und all die anderen. Was man aber tun kann ist, den Leuten zu helfen ihre Bedürfnisse zu kontrollieren. Das mag einige Leute nicht davon abhalten können die Triebe auszuleben, aber es kann und wird das Leid etlicher verringern. (Vermutlich sind das mehr als wir so wissen (wollen).) Und so ist diese Hilfe zur Selbsthilfe in Bereichen von Tabuthemen eine Sache, die natürlich am liebsten nicht wahrgenommen wird. Dementsprechend stiefmütterlich zeigt sich die Gesundheitspolitik gegenüber den wenigen vorhandenen Hilfestellen, wie etwa der Spiegel gerade schreibt.

Das ist so schade wie potentiell fatal.

(hier noch ein weiterer Spiegelartikel)

Wie sich Zensursula ihr Grab schaufelte

Es ist ja schon interessant und spaßig in diesen Zeiten teil der Webcommunity zu sein. Man könnte auch toll sagen, was in seiner Doppeldeutigkeit eigentlich noch viel besser passt. Grund dieses Freudenausbruchs ist, wie könnte es auch anders sein, Ursula von der Leyen und die Blogberichterstattung all über all. Da gibt es Leute wie Kaliban und Tanith, die das ganze Unglück noch einmal umfangreich durchdeklinieren, Leute wie meinen Namensvetter vom Sockenblog, die schonmal schwarze Farbe auf Vorrat kaufen und solche, die sich in höhere Sphären steigern wie René von Nerdcore, der das Netz gleich ganz für unabhängig erklärt. Das absolut beste Zitat in diesem Kontext ist dabei – meiner Meinung nach- das folgende von Tanith:

Das Dilemma bei diesen antiquierten Ritualen des Politzirkus ist, das er sich aufführt wie ein schlechter Chef, alle reden auf ihn ein, man argumentiert und bietet bessere Lösungen an, aber es droht ja Gesichtsverlust oder gar die Bild […].“

Dass bei all der Erregung auch gelegentlich mal etwas fragwürdigere Positings wie dieses vom Freischwimmer entstehen, in dem eine Liste derjeniger die gestrig für die Webzensur gestimmt haben, gepostet wird, entstehen machts nicht besser, aber ist verständlich. Um Missverständnissen hier vorzubeugen: Ich bin nicht gegen die Liste, sie ist gut und notwendig, aber da ja bereits eine pdf-Variante gemacht war, hätte man das ganze auch schlicht onlinestellen können mit der Möglichkeit, dass jeder selbst entscheidet ob er sie sehen will. Mir bspw. sind die Namen schlicht zu egal, als dass ich da mehr machen würde als runterscrollen um zu schauen, ob danach noch Text kommt. Wie gesagt, verständlich, im Ansatz sehr richtig aber so leicht verunglückt…

Absolut klasse hingegen finde ich das Posting der Volksblogger vom WsdV, die sich offen und ehrlich bei Ursula von der Leyen bedanken für ihre Politisierung, die von Frau v. d. L. ausgelöst wurde. Man kann jedoch noch weiter gehen, viel weiter. Hätte es das Engangement der Politikertochter aus Niedersachsen nicht gegeben, wäre das Netz in den letzten Monaten bzw., wenn man die Aktionen gewisser Rollstuhlfahrer mitrechnet, Jahren nie derartig politisiert worden, wie dem der Fall ist. In der Folge hätte es die Piratenpartei deutscher Nation evtl. nie gegeben und die Parteienlandschaft würde weiter auf der Stelle treten. Klar, die Internetzensur ist jetzt da (zumindest bis das BVerfG was anderes sagt) und wie so oft haben die Unwissenden mal wieder gewonnen, aber ohne sie würde es den kommenden politischen Aktivismus und (da bin ich mir absolut sicher) den Aufstieg der Piratenpartei nie geben. Nie. Ohne einen Kampfbegriff wie #Zensursula, Lobbyisten wie Netzpolitik.org und die paar wenigen Leute in den Medien und Parteien (Tauss!), die uns gelegentlich mal zugehört haben, wären schon die bisherigen Erfolge nicht möglich gewesen. Wie stark können wir dann erst sein, wenn all die Tausende von uns, die sich bisher auf 1-Klick-Shopping und gelegentliches Textetippen verlegt haben, richtig loslegen? Ganz richtig, you don’t wanna know, liebe Politiker. You don’t wanna know! (denen, die es wissen wollen seien René’s Zahlenspiele enpfohlen).

In diesem Sinne möchte auch ich mich bei Bundesministerin von der Leyen herzlich bedanken. Danke, dass sie uns durch ihr Verhalten Möglichkeit und Anlass dazu gegeben haben Ihnen und Ihresgleichen das politische Grab zu schaufeln. „Together my Lord Sauron friends, we shall rule this middle-earth.“

Zensursula als Mutter der Revolution, wie ich diesen Gedanken doch liebe.

Achso ja, zur Unterhaltung – so die denn noch notwendig ist – noch ein Link zu Volker Pispers 2009er Variante von ‚Bis neulich‘ -wahre Worte wie immer.

Cyberwar: When Freedom is just another Word for Nothing left to fear

When I first thought about this headline, I was thinking about a catchy phrase to begin with, but actually it fits really well to the topic of cyberwar. Round about one week ago, we had an interesting discussion in Phillipp Müller’s class concerning security in network societies and cyberwar as such. Some aspects of this new kind of war and warfare are unique, closely related to the blessings of todays internet and have risen as the web grew and became more important .

First of all, this new kind of war does not necessarily have to be led by states or state-level actors. Virtually anyone with -enough motivation and skill to create (or buy/lend) a botnet- can theoretically launch a denial of service-attack on any agent who is present in the web. Those targets can be nationstates like Estonia, but they don’t have to be, which means that whole wars can be engaged by and between small networks of people who have the capacities (e.g. botnets) to do so.  Also, in theese possible wars it seems that aggressive actions are fairily easy to perform while the defence against those (broadening of bandwidth etc…) might end up as a state-only option because they actually have the capacity to act accordingly. Assuming this scenario to be realistic, it will lead to interesting situations between private cyberwar-actors similiar to game-theory, prisoner’s dilemma etc.

The other thing, that really got me thinking is the combination of this anyone-can-join -situation with the anonymity of the web. In this new kind of war, destructive groups and persons can perform attacks on virtually anyone without a realistic chance of being ‚caught‘ and being brought to justice. From a rogue person’s point of view, cyberwar really is what this article’s headline implies: an opportinity to do/assault whatever/whoever you want whenever you want without the fear (or even possibility) of retaliation. Theese attacks cannot be tracked back properly and thus, the only working countermeasure is to get rid of the original attack, but that’s it.

Having said that, it really is a brave new world that we live in, and in which we are highly dependent on both the responsibillity of those  in power and our latest anti-botware programmes.

SPD-Bashing, Zensursula und das Selbstbild des Webs

Eigentlich wollte ich hier ja einen wunderschönen SPD-Blogpost machen, wie ihn Jens Scholz und viele andere (eben <-da verlinkt) mit so großer Freude am Eklat geschrieben haben, aber irgendwie find ich das … langweilig/vorhersehbar/unreflektiert/whatever. Keine Frage, wir linkspolitischen Menschen fühlen uns da von der SPD teilweise zu recht verraten, aber ist das dann nicht eher vergleichbar mit dem Kind/Partner, dem mit Liebesentzug gedroht wird, als mit rationaler Überlegung?

Sammeln wir doch mal die Fakten zusammen: Frau von der Leyen hat sich einen PR-Coup ausgedacht (ob mit oder ohne Masterplan zur Unterwerfung der (Reichs-)Deutschen lass ich jetzt mal so stehen), der sich vor allem durch zwei Dinge auszeichnet, dem moralischen Totschlagargument und der Tatsache, dass seine realexistierenden Folgen breiten Bevölkerungsschichten genüsslich sonstwo vorbei gehen, sei es mangels Interesse oder Kapazität. Genau diesem Umstand war es dann auch geschuldet, dass, unbeeindruckt von der dramatischen Entrüstung der betroffenen Webgemeinde, die ‚große Politik‘ und die als veraltet bezeichneten ‚Holzmedien‘ (vgl. Don Dahlmann, er hat ja recht, aber die Ironie wird nicht jedem deutlich) etwas länger gebraucht haben zu reagieren, dann aber eine durchaus reflektierte, differenzierte Berichterstattung brachten. Spätestens ab da war es allen Interessierten klar, in welche Richtung der Hase eigentlich zu laufen hat, kaum einer sah aber, dass er an einem Grafikfehler hängen bleiben würde. Dass sich die SPD dann letzten Endes auch noch so verhalten hat, wie sie es in jüngster Vergangenheit leider viel zu oft tat (selten dämlich) passte da nur noch ins Bild.

Warum aber meine Verwirrtheit? Ganz einfach weil es nicht, oder nur bedingt, an der SPD liegt. Die Generationen, die das Web in der Mehrzahl bevölkern werden sich vermutlich zu 50+x % im linken politischen Spektrum verorten, egal ob Marx-Fans, Alternative, Sozis oder Sozialliberale, wir haben ein gewisses Bildungsniveau und sind weder technikfeindlich noch ewiggestrig. Merkt ihr was? Genau, wir sind -noch- eine kleine, geistig-gesellschaftliche, Elite (mir fällt gerade kein alternatives Wort als ‚Szene‘ ein, und das find ich noch schlimmer), die gesellschaftlich eine kaum wahrnehmbare Relvanz hat. Natürlich sind wir als Betroffene sauer und wütend und … hilflos… aber das ändert nichts daran, dass die Internetzensur für einen Großteil der Bevölkerung de facto herzlich irrelevant ist. Wir als Gruppe sind noch zu klein, als dass wir zu mehr fähig sind, als die (uns thematisch nicht soo weit entfernten) Medien zumindest teilweise zu mobilisieren. ‚Wenn Bränschelina nen neuet Kind adoptiert is ma det ejaaal, wat die da mitm Intanet machn.‘ Tut weh, ist aber so. Ganz abgesehen davon muss man Ursula durchaus Respekt dafür zollen ein Thema gefunden zu haben, bei dem gleichzeitig derart vielen Menschen in die realen (Mogis) oder digitalen (Rest) Weichteile getreten wird, das aber dennoch so bombensicher ist, dass derartiges ignoriert wird. In diesem Sinne: Chapeau! Und jetzt mal ganz ehrlich, wir haben mit der Wirtschaftskrise, dem Klimawandel, Überbevölkerung/Flüchtlingen, der Überfischung der Weltmeere ganz zu schweigen von all den außenpolitischen Problemen eine ziemlich starke Konkurrenz um die wichtigste und größte aktuelle Herausforderung (und wehe es sagt jetzt einer, dass nur die Zensur hausgemacht ist…)

Soviel dazu. Wenn sich dann aber ein Don Dahlmann auf Twitter darüber echauffiert, dass die SPD mal eben die 100.000+ Stimmen der ePetition zum Fenster rauswirft (DD: aber die #SPD hats ja) denk ich mir: Jap, die 0,x% der Wahlberechtigten hat vermutlich selbst die SPD noch (über). Selbst wenn am Ende nur 10 Mio. Leute wählen gehen, sind die davon Beeinträchtigten nicht ausreichend, als dass sie die Wahl über die Maßen beeinträchtigen können. Dass die SPD im Moment mal wieder in einer Krise steckt wissen wir alle, dass sie sich in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht ungünstig verhalten hat auch. Aber immerhin gibts dort immer zumindest ein paar Leute die es kapieren (im Gegensatz zur CDU, die für mich prinzipiell unwählbar ist, but that’s just me), im Moment Meister Tauss und (dem Anschein nach) TSGhessen. Dennoch kann ich zumindest für mich sagen, dass ich hinter einigem, dass die SPD in den letzten rund 10 Jahren (mit-)gemacht hat durchaus stehe, auch wenn die aktuelle Rückradlosigkeit arg bedenklich ist. Ich hatte hier schonmal darauf hingewiesen, dass vielleicht weniger die Politiker selber, sondern ihre Entourage/das System an ihrer fachlichen Dilettanz in Sachen Web schuld sind. Und kaufe ihnen (teilweise) ein gewisses Argument namens ‚Sachzwänge‘, die einen gelegentlich bei 66 statt 100% herauskommen lassen, ab. Dass sie ab und an nämlich tatsächlich etwas gutes wollen und versuchen, die Illusion brauche ich.

Was mich im Angesicht der wohl kommenden Internetzensur deutscher Nation etwas positiver stimmt, ist das verhalten des Bundesverfassungsgerichts (und niederrangiger Gerichte) beim Thema der Vorratsdatenspeicherung, wo zwar das abschließende Urteil noch aussteht, in den bisherigen einstweiligen Verfügungen aber durchaus im Sinne der Antragstellenden entschieden hat (zur Übersicht mag dieser Schrieb von Interesse sein: Umfang und Grenzen der Vorratsdatenspeicherung). Wie gesagt, das abschließende Urteil steht noch aus, aber die bisherigen Entscheidungen vom BVerfG aus dem letzten Jahr lassen mich durchaus für die anstehende Verfassungsbeschwerde gegen die Internetzensur hoffen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Ob ich die SPD überhaupt wählen werde weis ich nicht, die Zweitstimme bekommen aber definitiv andere, soviel ist sicher.

Der Mensch als Information

In der digitalisierten Gesellschaft, in der Teile von uns schon leben und erst recht in der die da kommen wird, werden wir die Frage beantworten müssen, welche Ansätze eines arbeitenden Menschen auch in der Perspektive noch aktuell sein werden.

I

Das bisherige Konzept eines Menschen, der morgens zwischen 7 und 9 Uhr das Haus verlässt und nach einem erfolgreichen 8-Stunden Arbeitstag zu Frau und Kind zurückkehrt ist offensichtlich überholt. Zum einen hat sich die Arbeitswirklichkeit vieler Menschen schon etwas länger von einer solchen Idealvorstellung verabschiedet, zum anderen sind aber auch nachgerade durch das Internet neue Beschäftigungsformen und Einnahmequellen entstanden, die teilweise nichts mehr mit dem genannten gemein haben. Selbst die Idee eines Arbeitstätigen als jemand, der morgens aus dem Haus geht und zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt innerhalb der nächsten 24 Stunden sich dort wieder einfindet, wird in der mittelbaren und unmittelbaren Zukunft für einige Menschen als überholt sein. Wenn etwa Tim Pritlove und René Walter ausführen, dass sie mit ihren Web-Aktivitäten eben nicht nur „zwei Mark fünfzig“ verdienen, mögen sie zwar noch Ausnahmeerscheinungen sein, sind aber (insbesondere global) sicher nicht die einzigen, die nicht unerhebliche Einnahmen aus dem Web haben. Mögen derartige Arbeitsmodelle im Moment noch vorwiegend im Bereich IT, bzw. bei allem das mit dem Web an sich zu tun hat zu finden sein, wird sich dies in den kommenden Jahren auch auf andere Bereiche ausdehnen.

I

Was an dieser Stelle weiterhilft ist die Idee des Menschen als Information. Reduziert man den Menschen auf Information, bzw. Informationen, findet eine Schwerpunktverlagerung vom Prozess des Arbeitens hin zum schlichten Output statt. Information im hier genannten Sinne ist alles, was für den jeweiligen (auch digitalen) Gegenüber von besonderer Relevanz ist. Dies bedeutet natürlich, dass mit jedem Fakt, den ich über eine Person erfahre und jede Bedeutung, die ich in sie hineinlese, eine Veränderung ihres Informationsgehalts von statten geht. Folglich wird jede Person für Andere einen völlig einzigartigen Gehalt an Informantion haben sobald ein gewisser Anonymitätsgrad unterschritten wurde. Gerade in Anbetracht des Web 2.0 mit Tools wie Twitter, Facebook etc. (Blogs sind in der schönen neuen Welt des Webs ja so ziemlich das, was für andere Generationen die Wochenzeitungen sind) und der notwendigen Neudefinition des Begriffs der Privatsphäre wird klar, dass eine wirkliche Trennung von Privatem und Öffentlichem im Netz nur noch begrenzt vorhanden ist. Konsequenz hieraus hieraus ist es, dass es jedem selbst überlassen ist zu entscheiden, welche Dinge er öffentlich zugänglich macht und somit eine Informationsverschiebung seiner selbst bei anderen auslöst.

I

Neben diesen für Arbeitgeber vermeintlich unwesentlichen Gegebenheiten sind aber in der beschriebenen sich entwickelnden Arbeitswelt auch die guten alten Referenzen des Lebenslaufes weiterhin wichtig, da sie den bereits erwähnten, bisherigen Output der Menschen anzeigen. In dem Moment, wo der Arbeitgeber (zumindest potentiell) vom eigentlichen Arbeitsprozess nur noch sehr wenig mitbekommt, wird das bisher Erbrachte umso wichtiger, weil aus ihnen Annahmen über die zu erwartende, zukünftige Arbeit gemacht werden können, unabhänigig davon wie das Endergebnis zustande kam (was natürlich auch zu einer erhöhten Objektivität der Arbeitgeber führt, wenn der Arbeitsstil nur noch begrenzt nachvollziehbar ist). Da aber in der Netzwerkgesellschaft des Web 2.0 auch etwa das Betreiben eines erfolgreichen Twitteraccounts (dazu vielleicht später in einem anderen Blogpost) zum – geldwerten – Output gehören kann, sind die öffentlich zugänglichen Infos für die beschriebene Art von Arbeit, bzw. Arbeitsverhältnis eben gerade nicht unwichtig, sondern vielmehr ein wahrzunehmender Teil der Gesamtinformation, die ein Mensch für mögliche Arbeitgeber ist.

I

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Mensch in einer immer digitalen Gesellschaft nur noch Teil einer Gesamtinformation, unzureichend könnte man auch von einem digitalen Image/Ruf sprechen, die sowohl aus seinen persönlichen (online-) Aktivitäten (freizeitliches Engagement & professioneller Output), aber auch dem, was Andere in sie hinein interpretieren, besteht. Da sich mittel- und langfristig auch nicht web-zentrierte Unternehmen zwangsläufig den sozialen Medien zuwenden müssen, haben diese Aktivitäten auch eine gänzlich neue Dimension, wenn der Broterwerb ausschließlich , im oder durch das Internet bestritten wird.

I

I

[die Äußerungen von René Walter und Tim Pritlove finden sich hier und hier]

Peng, du bist tot! [unbedingt lesen!]

Der Tagesspiegel hat heute einen schlicht großartigen Artikel zum Thema der ganzen vermeintlichen Verbotsverfahren (Paintball, Web-Zensur) veröffentlicht.
Darin wird die ganze Problematik der Verfahren – die der Web-Gemeinschaft schon länger bekannt ist – nochmals deutlich ausgesprochen: Es geht eben nicht um das Verhindern von Kinderpornographie und Amokläufen (die Frage ob zweitere letztlich überhaupt verhindert werden können ist ja eh noch zu beantworten), sondern darum, dass sich der Staat zu einem moralischen Richter über das Richtig und Falsch der privaten Interessen seiner Bürger aufschwingt, was a) dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Artikel 2, I GG zentral zuwider steht, b) bei genauem Nachdenken absurd bis lächerlich ist und c) gerade deswegen derart gefährlich ist, dass nur sehr wenige Vergleiche unpassend erscheinen. Und genau deshalb ist es so großartig, dass neben der E-Petition der Webgemeinde inzwischen auch die alteingesessenen Medien wie Zeit, Spiegel, oder eben dem Tagesspiegel, allmählich aufhorchen und mit deutlichen Artikeln wie diesem gegen den praktizierten Wahnsinn anschreiben.

Vorratsdatenspeicherung in der EU

Hier nun der erste inhaltliche Teil meiner Abhandlung über die Vorratsdatenspeicherung…

Die erste Initiative zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) entstand im Jahre 2002, als mit der Richtlinie 2002/58/EG „über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation“(I) in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001 erstmals auf europäischer Ebene solche Eingriffe diskutiert und schließlich unter der spanischen Ratspräsidentschaft im Juni 2002 verabschiedet wurde(II).

Während diese Richtlinie primär einen marktbezogenen Impetus hatte und die Speicherung von Daten für die Strafverfolgung eher ein Nebenaspekt der generellen Datenschutzintention war, wurden die hierauf aufbauenden, weiterführenden Regelungen als Rahmenbeschlüsse im Bereich der europäischen polizeilich – justiziellen Zusammenarbeit diskutiert.(III) Erneute Aktualität bekam die präventive Speicherung von Nutzerdaten im Kontext der terroristischen Anschläge von Madrid, am 11.3.2004, und London, am 7.7.2005.


In dem Prozess, der schließlich zur Verabschiedung der Richtlinie 2006/24/EG führte, wurde bereits im Jahr 2004 von den Staaten Frankreich, Irland, Schweden und dem Vereinigten Königreich ein Entwurf zu einem Rahmenbeschluss bezüglich der Speicherung elektronischer Daten für die Zwecke der Strafverfolgung vorgelegt.(IV) Die in dieser Zeit aufflammende Diskussion des Themas auf nationaler wie internationaler Ebene, sowie der heftige Protest des Europäischen Parlamentes,(V) das im Verfahren zur Verabschiedung eines Rahmenbeschlusses nach Art. 39, Abs. I EU vom Rat lediglich anzuhören ist, führten dazu, dass das Vorhaben als europäische Richtlinie 2006/24/EG im Februar 2006 verabschiedet wurde.(VI) Dem gingen zwar zahlreiche Änderungen und Debatten voraus, doch schließlich wurden bereits vom Parlament eingebrachte Veränderungen des ursprünglichen Richtlinienentwurfs durch erneute Änderungsanträge der größten Fraktionen – auf Druck der britischen Ratspräsidentschaft hin(VII) – rückgängig gemacht. In der Folge wurde die Richtlinie in genau der Form verabschiedet, die vom Rat ursprünglich beabsichtigt war.(VIII)


Als einer von zwei Mitgliedsstaaten der EU, die im Verfahren gegen die Vorratsdatenspeicherung votiert hatten, erhob die Republik Irland im Mai 2006 eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Entgegen der 2005 bereits ausführlich geführten Debatte, wurde diese jedoch nicht – wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre – gegen eine Verletzung der in der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) garantierten Rechte erhoben. Vielmehr zielte diese Klage auf das formelle Zustandekommen des Rechtsaktes ab, da nach Meinung Irlands ein derartiger Beschluss mit eindeutigem Ziel der Schaffung neuer Rechtsinstrumente auf europäischer Ebene im Bereich der polizeilich-justiziellen Zusammenarbeit läge, und damit – wie ursprünglich geplant – als Rahmenbeschluss gemäß der Artikel 29 – 42 EU und nicht, wie geschehen, als marktbezogene Richtlinie im Sinne des Artikel 249 – 254 EG auf Grundlage des Art. 95 EG hätte verabschiedet werden sollen.(IX)

Dieser Argumentation konnte der EuGH jedoch nicht folgen. Wie bereits in einer Stellungsnahme von der zuständigen Generalanwältin im Oktober 2008(X) angeraten, wies das Gericht die Klage am 10.2.2009 ab.(XI) In der Begründung hieß es, dass die Regelung zur Vorratsdatenspeicherung zurecht als Richtlinie zur Harmonisierung der Märkte verabschiedet worden sei, da bereits einige europäische Mitgliedsstaaten entsprechende nationale Normen mit umfangreichen Folgen für die jeweiligen nationalen Märkte haben und diesen ein gemeinsamer Standard zugrunde zu legen sei.(XII) Geringer falle demgegenüber ins Gewicht, dass für die Mitgliedsstaaten, die bisher keinerlei Regelung zur Vorrats-datenspeicherung hatten, ein Zwang zur Einführung einer ebensolchen entstehe.


Eine Klage gegen die Verletzung der in der EMRK verankerten Rechte durch die VDS ist jedoch weiterhin möglich.

Fußnoten:

I verfügbar hier

II vgl. hier

III etwa hier

IV verfügbar unter: http://www.statewatch.org

VI verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu

VIII ebenda

X Stellungnahme verfügbar unter: curia.europa.eu

XII ebenda